Wie Ghost of Tsushima es geschafft hat mich von dem Zwang zu lösen, Spiele durchspielen zu müssen
Es gibt einige Filmregisseure, die ein ganzes Genre definieren. Akira Kurosawa hat das klassische Samurai Genre bestimmt (Rashomon, Die Sieben Samurai), Sergio Leone den Italo Western (Für eine Handvoll Dollar, The Good, the Bad and the Ugly) und einige Regisseure haben ihren ganz eigenen Stil zum „Genre“ gemacht. Quentin Tarantino ist so ein Beispiel (Pulp Fiction, Kill Bill), aber auch ein Stanley Kubrick (2001: Odyssee im Weltraum, Uhrwerk Orange) oder Alfred Hitchcock (Psycho, Die Vögel). Das erstaunliche ist, dass niemand die Filme gesehen haben muss, um eine Meinung über diese Genrevertreter zu haben. Außer bei Tarantino, der erst mit 1992 seinen ersten Film veröffentlichen konnte und heute noch dreht, sind die übrigen aufgezählten Regisseure aus der „alten Zeit“. Sie werden zwar wertgeschätzt, aber deren Filme werden zumindest in meiner Generation dem Pseudo-Obergenre der „alten Filme“ zugeordnet. Und alte Filme kann man ja aus heutiger Sicht überhaupt nicht schauen. Sie sind zu langsam, zu langweilig, veraltet in ihrer Thematik und die Effekte sind einfach schrecklich. Das ist nicht meine Meinung, sondern das, was ich meistens zu hören bekomme, wenn ich diese Filme meiner Generation empfehle. Auch wenn meine Generation diese Filme nicht gesehen hat, nicht sehen will oder nichts mit diesen anfangen kann, sind sie für jeden ein Begriff. Wenn dann Spiele erscheinen wie ein Red Dead Redemption oder ein Ghost of Tsushima, dann posaunt jeder raus inwieweit sie doch die tollen alten Filme referenzieren und ein Genuss für die Fans dieses Genre sind. Vor allem Spielejournalisten nutzen diese Vergleiche. Ein aktuelles Beispiel ist der Beitrag von Trek to Yomi in Game Two Folge 242, wo geschickt geschnitten Szene aus dem Spiel selbst mit Szenen aus dem Film Harakiri (Seppuku) von Masaki Kobayashi vermischt wurden. Es war an sich ein guter Beitrag, doch kein einziges Mal den Namen des tatsächlichen Regisseurs zu erwähnen, stattdessen aber Akira Kurosawa (ohne eine Filmszene von ihm), hinterlässt bei mir dieses ungute Gefühl den Künstlern nicht den nötigen Respekt zu erweisen.
Die wenigsten der Red Dead Redemption 1 oder 2 Gamer werden aus meiner Sicht eine Handvoll an Italowestern gesehen haben. Auch so gut wie keine klassischen amerikanischen Western. Ist das schlimm? Nö. Red Dead Redemption braucht kein Vorwissen über scheinbare Vorlagen um ein gutes Spiel zu sein. Natürlich findest du hier und da Szenen oder Charaktere, die aus dem einen oder anderen Film stammen könnten. Das ist aber die bewährte Rockstar Methode und nichts neues. Außerdem gibt es in jeder Form von Kultur eine gegenseitige Beeinflussung. Das ist etwas ganz Natürliches. Als ich aber den ersten Teil von Red Dead Redemption (vielleicht mein absolutes Lieblingsspiel der PS3 Generation) gespielt habe, wartete ich sehnsüchtig darauf mich zu fühlen wie der namenlose Antiheld aus der Dollar Trilogie oder Sergio Corbuccis Django (Django aus 1966, gespielt von Franco Nero) oder wie Cuchillo Sanchez aus Sergio Sollimas La Resa Dei Conti (Der Gehetzte aus Sierra Madre). Doch das ist nie im Spiel geschehen und zunächst war ich auch ein wenig enttäuscht darüber. Doch das war überhaupt nicht tragisch. Denn als ich angefangen habe dieses Spiel unabhängig von den scheinbaren Vorbildern zu sehen, habe ich immer mehr John Marston und die Figuren wertgeschätzt. Denn darauf kommt es bei einem eigenständigen Werk an. Es muss überzeugen, ohne dass du die Vorbilder kennst. Nehmen wir Tarantino wieder als Beispiel. Er zitiert so ziemlich in jeder Szene irgendeinen seiner Lieblingsfilme, doch das ist nicht der Grund weshalb er gefeiert wird. Es ist am Ende die Art wie er Szenen inszeniert und einsetzt. Rockstar Games ist das auch erfolgreich gelungen und mit Red Dead Redemption 2 haben sie noch ein größeres Epos geschaffen (auch wenn der erste Teil für mich den größeren Charme hatte). Tatsächlich wurde im Journalismus bei Teil 2 auch weniger Vergleiche zu Westernfilmen gezogen. Gut so.
Ghost of Tsushima hat einen ähnliche Werdegang erleben dürfen. Es handelt sich auch hier um ein AAA-Open-World Spiel mit allem was dazu gehört. Der Trailer kam zeitgleich mit dem von Sekiro raus und ich muss sagen, dass Tsushima nicht nur atmosphärischer und besser aussah, es hatte durch seinen realistischeren Touch wie fernöstliche Kämpfer abgebildet werden auch meine Aufmerksamkeit mehr geweckt. Gegenüber Sekiro war ich sogar skeptisch, was sich FromSoftware hier vorgenommen hatte (allerdings war die Gaming-Presse, die das Spiel anzocken durfte, so hellauf begeistert, dass sich meine Sorgen verflüchtigt haben). Egal. Ghost of Tsushima sah so spitze aus, dass der Ausdruck filmreif gerechtfertigt erschien. Das Entwicklungsstudio Sucker Punch Productions stellte mit der Zeit immer detaillierter das Spiel vor und wie sie ermüdende Open World Features neu präsentieren überzeugte einen. Statt eine Richtungsanzeige gibt es den Wind, der einen leitet. Kleine Entdeckungen in der Spielwelt werden gemacht, indem wir statt glitzernden Markierungen Tieren wie Füchsen oder Vögeln folgen. Und das Kampfsystem ist endlich mal was Eigenständiges und orientiert sich nicht nur an der Dark Souls oder der Arkham Reihe. Durch das Hinzufügen von Schwerthaltungen, bekamen wir das Gefühl, hier werden wir so elegant kämpfen wie in den Samurai Filmen.
Bloß hat niemand diese Samurai Filme gesehen. Hätten wir diese Filme gesehen, dann wüssten wir, was sie ausgezeichnet hat: Die Geschichten, die Charaktere, ihr Stil. Es sind eben nicht die Kämpfe. Die Kämpfe sind stilistisch gehalten ja, aber sie werden rar eingesetzt. Im oben genannten Harakiri gibt es nur einen Endkampf, wo die Schwerter gekreuzt werden, ähnlich wie in George Lucas Krieg der Sterne (Star Wars Episode IV), wo Obi-Wan Kenobi gegen Darth Vader kämpft (ja die Jedis und Sith und das Kämpfen mit Laserschwertern sind inspiriert von Samurai Filmen). Doch auch die bis heute meistgefeierte Star Wars Trilogie (die ursprüngliche) lebte eben von einer guten Geschichte, guten Charaktere und eigenständigem Stil. Diese Punkte vermisse ich in Ghost of Tsushima. Die Story erreicht keine Klasse, die Charaktere sind doch sehr flach und der Stil möchte zu sehr gefallen, als dass er eigenständig ist.
Gehen wir im Folgenden etwas näher auf die Punkte ein.
Die Spielwelt
Ja das Spiel sieht hammer aus und die Welt ist wunderschön. So schön, dass kein Museum groß genug wäre um genügend Raum für Screenshots anzubieten, wenn wir diese aus dem Spiel als Gemälde präsentieren würden. Sucker Punch Productions stellt Japan und dessen Naturlandschaft in komprimierter Form so augenöffnend dar, dass man einfach stehen bleiben muss, um die Landschaft zu bestaunen. Doch irgendwie wirkt das Ganze für mich zu aufgesetzt. Aus dem Nichts taucht plötzlich ein goldener Wald auf, hier ist die künstliche Grenze wo lange Grasfelder erscheinen und hier ist jetzt der Strand. Spiele wie Horizon Zero Dawn, Red Dead Redemption oder jüngst auch Elden Ring schaffen es doch irgendwie mehr eine in sich glaubwürdige Spielwelt aufzubauen. Jedes auf seine eigene Art. Horizon Zero Dawn setzt auf US-amerikanische Nationalparks und stellt diese glaubwürdig da, sodass die Story ihre Ernsthaftigkeit behält (es handelt sich ja um eine post-postapokalyptische Welt unserer Erde). So ist im Gegensatz zu Ghost of Tsushima die Welt weniger eine Kulisse und wirkt eher wie das natürliche Habitat der auftauchenden Tieren, Menschen und Maschinenwesen. Red Dead Redemption (vor allem Teil 2) ist eine realistische Darstellung der Welt (oder wie der Wilde Westen ausgesehen hätte) und man verliert sich in seinem Detailreichtum auch dementsprechend darin. Elden Ring ist ganz und gar nicht eine realistische Darstellung der Welt draußen, übertrifft aber jegliche Vorstellungskraft von jedem der (nicht kitschige) Fantasy liebt und schafft es gleichzeitig die Balance zu halten, um in sich schlüssig zu sein.
Ich weiß, dass die meisten diesen Kritikpunkt nicht nachvollziehen werden. Es ist ja ohnehin eine subjektive Meinung. Die Spielwelt von Ghost of Tsushima sieht ja wirklich klasse aus. Das Spiel hat sich aber dazu entschieden sich von einem historisch echtem Ereignis inspirieren zu lassen, das sich auf der Insel Tsushima abgespielt hat. Aus meiner Sicht muss dann auch die Kulisse so gestaltet sein, dass wenn ich auf die Insel Tsushima reisen würde, ähnliche Landschaftsbilder vorzufinden. Ghost of Tsushima verkauft mir aber die Insel Tsushima als etwas, was es nicht ist. Damit verliert es für mich die Glaubwürdigkeit und ich kann das Spiel weniger ernst nehmen. Wenn mir jetzt jemand sagt, dass das nur ein Spiel sei, man solle das nicht so eng sehen: Ich finde Spiele sind Kunstwerke und Kulturgüter unserer Zeit. Wenn ich sie nicht ernst nehme würde, würde ich auch keine Beiträge hierzu schreiben. Zum Beispiel stört mich die epische unrealistische Welt in Sekiro überhaupt nicht, obwohl sie auch nach dem Vorbild japanischer Landschaften generiert wurde. Im Gegensatz zu Ghost of Tsushima gaukelt mir Sekiro aber nie vor, dass dies eine ernstzunehmende Repräsentation der tatsächlichen Welt ist, da Spielelemente wie der prosthetischen Superarm mit Greifhaken und weiteren Gadgets und der Fantasyanteil, der japanischen Mythen und Sagen referenziert, omnipräsent sind.
Der Held
Jin Sakai ist ein Samurai, der seine Kampfesbrüder in der Invasion gegen die Mongolen verloren hat und sich nun alleine dem übermächtigen Gegner stellen muss und dabei merkt, dass der ehrenvolle Weg des Samurais zu keinem Sieg führen wird. Er sieht sich mit Widerwillen gezwungen als Geist auch im Hintergrund zu agieren und schleichend und heimlich seine Gegner zu töten. Nun ja die Problematik an dieser Geschichte ist, er muss das gar nicht. Er kann sich auch als One-Man-Army den Kriegern stellen. Das Spiel belohnt einen sogar, wenn man sich einem Lager offen stellt und zum direkten Kampf auffordert. Damit kommt man auch ganz gut durch.
Darüber hinaus ist Jin in vielen Momenten noch sehr naiv, dann an anderen Stellen wiederum sehr weise. Das kommt zwar der Handlung oder den Quests zugute, aber die Substanz des Charakters geht verloren. Und Substanz hat Jin ohnehin wenig. Er ist schlichtweg zu langweilig. Weder hat er richtige Schattenseiten, die ihn interessant machen, noch hat er etwas zu erzählen, das uns zum Nachdenken bringt. Diese Figur mit einer Aloy, einem Arthur Morgan, John Marston oder Geralt von Rivia zu vergleichen ist es eigentlich gar nicht wert, aber ich tue es trotzdem: Aloy war eine Ausgestoßene. Ihr eigener Stamm hat ihr die kalte Schulter gezeigt hat und außerhalb ihres Stammes war sie die irrelevante Fremde vom Lande. Doch sie war mit all ihrer Wärme da, als ihr Stamm und die Menschheit sie gebraucht hat. Arthur Morgan hinterfragt seine Handlungen als Bandenmitglied und muss sich seinen eigenen Sünden und seinen eigenen Freunden stellen, die — wie er feststellt — zum Großteil nicht seine Freunde sind. Wir reden hier von einem erwachsenen Mann, der sein ganzes Leben hinterfragt. John Marston kämpft gegen die bösen Geister seiner Vergangenheit und für einen Platz in der Gesellschaft, doch ahnt nicht, dass er für immer gebrandmarkt ist als ein verwerflicher Mensch. Geralt von Rivia hat schon so viel Mist in seinem Leben gesehen, dass er die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und eigentlich abgestumpft sein müsste. Und obwohl er sich immer auf Neutralität beruft, kann er nicht anders und hilft den Schwachen und Guten. Jin Sakai ist leider zu gewöhnlich. Ja er ist ein Samurai, hat seinen Vater früh verloren und so weiter, aber er kann nicht ansatzweise mit den Samurais mithalten, die wir im Filmbereich haben. Aloy, Arthur/John und Geralt schaffen dies mit Bravour. Hier schießt sich Ghost of Tsushima wieder ein Eigentor, da sie sich mit Akira Kurosawa als Inspirationsquelle brüsten. Doch gerade in Akira Kurosawa Filmen geht es weniger um den Samurai, als um eine Gesellschaft, wo der Stärkere die Schwachen ausbeutet. Und dieser Stärkere kommt nicht von außen wie die Mongolen durch eine Invasion, sondern sind intrinsisch im Volk verankert. Dabei wird auch der Samurai an sich hinterfragt, da er oft seine Macht missbraucht und zu eigenen Vorteilen handelt. Und wenn sich der gute Samurai für das Gute einsetzt, dann muss er damit rechnen, dass er in Armut und ohne Ruhm sterben wird. Diese Komplexität suchen wir bei Ghost of Tsushima vergeblich.
Das Kampfsystem
Die obigen Kritikpunkte wären ja sogar verzeihbar und ich könnte sie ignorieren, wenn die wichtigste Spielmechanik in einem Spiel, wo ich einen Samurai spielen darf, stimmen würde: Das Kämpfen. Hier wurde im Vorfeld sogar viel Trubel gemacht. Es gibt vier verschiedene Haltungen, zwischen denen der Spielende passend zu der Situation wechseln kann. Da musste ich doch sehr staunen, als ich das gesehen hatte. Das versprach eine Vielfalt an Methoden, wie man mit derselben Waffe in verschiedenen Stellen kämpfen kann. Hierzu vielleicht meine Erwartung, wie ich diese Mechanik erhofft hatte: Ich lerne diese Haltungen durch ausprobieren immer besser kennen. Dabei stelle ich fest in welcher Situation welche Haltung effektiver ist. Ein Beispiel: Wirst du umzingelt, macht es Sinn eine Haltung anzunehmen, wo du 360° Schläge ausführen kannst. Kämpfst du gegen einen Einzelnen, brauchst du möglichst präzise Angriffe. Ist das Areal gerade sehr eng, sollten die Schläge vertikal durchgeführt werden. Und irgendwann beherrscht du die Skills soweit, dass du richtige Kombos ausführen kannst, indem du mit der einen Haltung beginnst und mittendrin (beim selben Gegnertyp) auf eine andere Haltung wechselst, um einen richtigen Flow zu erhalten. Jetzt könnte jemand behaupten, dass ich zu viel verlangt habe. Aber solche Mechaniken werden zum Teil beeindruckend in einem Devil May Cry, God of War, Bloodborne, Horizon oder auch in einem Witcher eingesetzt. In God of War beispielsweise kann ich zwischen Waffen/Modi wechseln. Dort kann ich zunächst meine Axt verwenden um erstmal auf den größten Brocken in einer Gegnerhorde einzuschlagen. Die Axt kann ich dann als Distanzwaffe einsetzen und auf den Gegner schleudern, der mich schon die ganze Zeit mit seinen Fernangriffen nervt. Jetzt wechsele ich auf eine andere Waffe, mit der ich besser die Masse im Griff habe und mit weitreichenden Schlägen den Großteil der Gegner ausschalte. Zum Schluss rufe ich wieder die magische Axt zurück an meine rechte Hand, die im Rückflug die Lebensleiste des letzten Gegners auf null reduziert. Und das alles in einem Fluss.
Nun gibt es in Ghost of Tsushima nicht viele verschiedene Waffen. Das ist nicht schlimm. Durch die Haltung wird es sich aber so spielen lassen, bestimmt (hoffte ich). In Dark Souls kann ich schließlich auch ein Katana führen. Halte ich die Waffe einhändig, führe ich mit einem leichten Schlag hauptsächlich horizontale Schnittschläge aus. Beim schweren Schlag stößt meine Figur mit der Spitze zu, perfekt für Gegner, die einen Abstand zu mir halten. Halte ich die Waffe zweihändig, benötige ich für die leichten Schläge mehr Ausdauer, dafür richte ich mehr Schaden an. Und der schwere zweithändige Schlag ist nun kein Stoß mehr, sondern ein vertikaler Schnitthieb, also nutzbar wenn Stichhiebe wenig bringen und ich mich beispielsweise in einer Gasse befinde. Ghost of Tsushima wird sich voll und ganz auf das Katana konzentrieren und durch die Haltungen werde ich genauso taktische Überlegungen durchführen, um über meine Gegner zu dominieren.
Naja ich hatte mir zu viel erhofft. In Ghost of Tsushima wird dir fest vorgegeben, welche Haltung du gegen welchen Gegnertypen einsetzen sollst. Nichts da mit persönlichen Vorlieben oder taktischen Überlegungen. Stattdessen sieht es in Ghost of Tsushima so aus: Du kämpfst gegen eine Gruppe. Die Person mit Schild wird dich offensichtlich zuerst angreifen, weil sie am nächsten steht. Du wechselst in die Wasserhaltung und haust den Gegner um, da die Wasserhaltung laut Tutorial effektiv gegen Schildkämpfer ist. Als nächstes kommt ein Speerkämpfer auf dich zu. Du wechselst in die Windhaltung, die am effektivsten gegen Speerkämpfer ist. Dann kommt einer mit zwei Schwertern. Wechseln in die Sturmhaltung, da diese am effektivsten ist. Den großen Brocken bekommst du ganz leicht in der Mondhaltung besiegt. Benutze ich eine dieser Haltungen bei einem nicht vorgesehenen Gegnertypen, komme ich mir vor als käme gleich der Text aus Pokémon, wenn man beispielsweise einen Feuerangriff auf ein Wasser-Pokémon anwendet: „Das ist nicht sehr effektiv…“. Das Kampfsystem reduziert sich auf ein Schere-Stein-Papier Spiel, allerdings beherrschst du alle drei Symbole und dein Gegner kann nur das eine Symbol anwenden. Und es ist offensichtlich welches eine Symbol er beherrscht. Die Bossduelle in diesem Spiel sind zum Glück spannender, da diese ihren eigenen Stil besitzen und es überhaupt nicht offensichtlich ist mit welcher Methode man weiter kommt. Diese Duelle sind aber rar. In den meisten Fällen muss ich beim Kämpfen wenig nachdenken. Das soll nicht heißen, dass das Spiel zu einfach ist. Ich bin häufig gestorben, weil die Gegnerhorde zu groß war oder ich mich habe umzingeln lassen oder dergleichen. Aber das Spiel hat mir überhaupt nicht die Freiheit gegeben einen individuellen Kampfstil zu entwickeln, einfach weil es dir in den Standardkämpfen fest vorschreibt, wie du zu agieren hast. Die Welt ist offen, aber das Kämpfen ist linear. Von einem Samurai Spiel habe ich mir da wesentlich mehr erhofft. Vielleicht hat dieses Spiel auch das Pech, dass mit Sekiro ein anderes Spiel erschienen ist, welches sich auch nur auf das Kämpfen mit dem Katana konzentriert, aber trotzdem viel mehr Freiheiten bietet, wie individuell gekämpft.
Assassins Creed Japan
Ich war doch sehr erstaunt, als behauptet wurde, dass Ghost of Tsushima der Welt gezeigt hat, wie Open World Spiele wieder Spaß machen können. Sucker Punch Productions hat das HUD möglichst reduziert und statt Pfeilrichtungen rufe ich den Wind auf, der mir den Weg weist. Doch das führt dazu, dass die Meteorologen in der Welt von Ghost of Tsushima immer windiges Wetter vorhersagen können. So häufig muss ich mir den Weg aufweisen lassen. Und kleine wiederkehrende Entdeckungen werden durch kleine Tiere wie Vögel oder Füchse gezeigt, statt aus der Ferne zu glitzern und mich von der Immersion der Spiels abzulenken. Stattdessen lenkt mich jetzt ein Vogelgezwitscher ab und ich muss alles links liegen lassen, da im Gegensatz zu den Fuchsbauten in der Karte nicht markiert wird, wo ich den Vogel wiederfinden kann. Also völlig egal, ob ich gerade eine Familie vor Banditen rette, ein Vogel hat mir gezwitschert, dort gibt es Loot. Ich lasse die Familie warten, die Banditen haben es ja auch nicht eilig, aber dieser Vogel schon. Doch zu häufig ist es irgendein kosmetischer Loot, der nur das Aussehen von meinem Schwertgriff und dessen Scheide ändert. Danke. Dann doch lieber eine Marke auf der Karte oder eine markante Stelle, die von sich aus interessant aussieht und wo ich hinkann, wann ich es selber möchte. Und seien wir ehrlich. So ein generisch wieder verwendeter Vogel oder Fuchs ist doch nichts anderes als ein Pfeil oder Marker, nur mit dem Unterschied, dass ich den Fuchs am Ende streicheln darf.
Ein weiteres Problem, was ich mit Ghost of Tsushima habe, ist der Umgang mit dem leeren Raum. Red Dead Redemption füllt diesen mit abwechslungsreichen zufälligen Ereignissen. An derselben Stelle X wirst du von einem Bären angegriffen, jagen dich Kopfgeldjäger oder fährt ein Gefangenenwagen vorbei oder du genießt das atmosphärische Unwetter, das sich aufgebaut hat. In Horizon Zero Dawn hast du überall Maschinenwesen, die diese Welt mit Leben füllen. Man könnte förmlich eine BBC Tierdoku über diese drehen, so organisch wirkt diese Welt. In Elden Ring könnte an jeder x-beliebigen Stelle ein Geheimnis sein, dass du nur durch Glück/Zufall/Aufmerksamkeit entdeckst. In Ghost of Tsushima ist stattdessen viel leerer Raum, wo es nichts zu entdecken gibt. Wenn du einmal durch eine Stelle gereist bist, wirst du bei erneuter Durchreise keine neue Geschichten erleben.
Trotz dem vielen ungenutzten leeren Raum gibt es eine Menge Aufgaben, die das Spiel von dir abgearbeitet sehen will. Diese Aufgaben sind zu häufig redundant und bieten wenig Abwechslung. Es fühlt sich wieder an wie ein Assassin’s Creed. Nur in Japan. Und man spielt einen Samurai. Aber der kann auch schleichen. Aber auch direkt kämpfen. Also doch wie die aktuellen Assassin’s Creeds. Wie es zu einem guten Open World Spiel gehört, gibt es auch hier Haupt- und mehrere Nebenquests. Aber wirklich vom Hocker hauen tun die mich nicht. Aber sonst gibt es ja doch keine sinnvollen Beschäftigungen, also arbeite ich diese doch nacheinander ab. Irgendwann stelle ich mir die Frage: Wozu mache ich das überhaupt? Weil es hier und da mal tolle Momente bietet? Zum Beispiel das Finden von legendären Rüstungen. Das haben sie richtig toll hinbekommen. Da muss ich meinen Grips anstrengen und am Ende erwartet mich ein toller Kampf. Aber die Rüstung ist doch meist gar nicht so cool. Und ich habe gar keine Ressourcen mehr diese aufzuleveln, weil ich die für die 10 anderen Outfits benutzt habe, die ich auch nicht wirklich brauche. Genauso wie die vielen Accessoires wie Hüte oder Kopfbinden, die ich ständig finde und womit das Spiel mich belohnen will.
Ghost of Tsushima hat etwas geschafft, was kein anderes Spiel vorher geschafft hat: Obwohl ich bereits über die Hälfte des Spiels durch hatte und mehr als 20 Stunden in das Spiel investiert hatte, habe ich es beiseite gelegt und deinstalliert. Es interessierte mich nicht mehr wie es weitergeht. Es quälte mich weiterzuspielen. Ich erzählte meiner Frau nur noch, was mich an diesem Spiel nervt, statt was mir an diesem Spiel gefällt. Ich wollte wieder kämpfen wie in Sekiro, die spannende Hintergrundgeschichte aufdecken wie in Horizon Zero Dawn, mich auf das nächste Ausrufezeichen freuen, weil die Nebenquests so spannende Wendungen nehmen wie in Witcher 3, mich wie ein Superheld fühlen wie in Batman Arkham City und wie gerne hätte ich mich wie eine Figur aus Akira Kurosawas Werken gefühlt. Dem Großmeister des Samurai Genres. Moment mal, es gibt Spiele, da tue ich das bereits. Zum Beispiel in der Rolle von Geralt von Rivia. Es ist zwar eine Fantasy Mittelalter Welt und ich spiele keinen Samurai, sondern eine Mischung aus Kopfgeldjäger und Ritter mit besonderen Fähigkeiten, aber Geralt ist dieser einsame Samurai, der in einer Welt, die von Ungerechtigkeit und Kriminalität tyrannisiert wird, sein Bestes gibt um zumindest da zu helfen, wo er Einfluss nehmen kann. In einer Welt mit Geschichten, die vielschichtig sind und einen dazu fördern, die Konsequenzen abzuwägen, die Entscheidungen mit sich tragen können. Wo ich lerne, dass nicht alles schwarz-weiß gestrickt ist oder, dass es zu schwierigen Fragen auch keine einfachen Antworten gibt. Das ist für mich die Essenz der guten Samurai Filme, insbesondere bei Akira Kurosawa. Und das (und viel mehr) findet sich wieder bei Witcher 3 — The Wild Hunt. Und mit dem Spiel habe ich 100 Stunden verbracht. Dabei habe ich nie darüber nachgedacht das Spiel aufzuhören bevor ich das Ende gesehen habe und alle Frage- und Ausrufezeichen aufgedeckt sind.
Doch gibt es auch diejenigen, die ein Witcher 3 mehrfach versucht haben und die Faszination des Spiels nicht nachvollziehen können. Für diese Personen müssen die 100 Stunden Zeit, die sie investieren müssten, wie eine Ewigkeit vorkommen. Dann lassen sie das Spiel lieber liegen und widmen sich einer anderen Welt, in der sie sich verlieren können. Und das ist auch okay. Das ist das Schöne an Videospielen. Jedes bildet einen Mikrokosmos, ein anderes Universum und wir haben die Macht zwischen diesen Welten zu reisen. Wir werden sie nicht alle erkunden können und nicht alle Welten werden uns gefallen. Solange die Reise weitergeht und wir weiterhin mit neuen Spielideen beglückt werden, sind wir doch sehr glückliche Erkunder und Erkunderinnen.